Corona hat das Leben von uns allen durcheinandergeschüttelt. In sehr kurzer Zeit wurde jede(r) von uns auf sich selbst zurückgeworfen. Nichts war mehr wie zuvor.
Es gab und gibt viele Auswirkungen: Anfängliches Erschrecken und Angst, Zweifel und erstauntes Abwarten gingen über in Unsicherheit, tiefe Verunsicherung, auch Lähmung und Verzweiflung, manchen gelang es Stille zu halten, oder es waren ein Aushalten, Abwarten, und dabei auch Neugier… und was wird jetzt?
Für uns alle gab und gibt es täglich, wöchentlich, monatlich neue Informationen, die neue Verhaltensweisen, Hygieneregeln und körperlichen Abstand verlangten. Covid 19 organisiert und verbreitet sich auf eine Weise, die den Kern unserer tiefsten Bedürfnisse bedroht: Nähe, direkte Bezogenheit, freier Austausch, Intimität auch durch gemeinsam geteiltes Erleben und Miteinander Sein, im Kreis sitzen, singen, tanzen, sich anfassen… Was wird in Zukunft damit sein? Wie geht es weiter?
… und über und unter Allem liegt letztlich ein großes „Nicht-Wissen“. Wir sind es nicht gewohnt, uns dem Nichtwissen so ausgeliefert, so nackt, so verletzlich stellen zu müssen. Das fühlt sich an wie ein Ritt auf einem Drachen… Der Drache als heiliges, gefährliches, kraftvolles, unkontrollier- und unzähmbares Tier.
Und doch ist es jetzt genau die richtige Zeit, um diesem Nicht-Wissen Raum zu geben. Dem Nicht-Wissen einen Platz geben, in Geduld und mit offenem Herz und Geist, um zu spüren, welche Impulse da sind, und welche einfach nicht, welche Bewegungen gut tun, und welche sich starr, alt und überholt anfühlen. Was stimmt und was stimmt nicht (mehr)? Welche Identifikationen sind zerbrochen und was ist gut daran? Was sind meine Werte, die Quellen meiner Hoffnung? Wie kann es gelingen, die große Chance in dieser Krise zu ergreifen? Wie kann ich diesen fragilen, kostbaren und unerforschten Raum walten lassen, um Zukunft neu zu gestalten. Und wie kann ich mich der Zuversicht öffnen, der Zuversicht auf ein sinnvolles, erfülltes Leben, in dem ich mich ganz für mich und meine Gemeinschaften einbringe.
Darüber wollen wir im Council sprechen. Das Stadtcouncil ist jetzt genau der Ort, um den „Ritt auf dem Drachen“ einzuladen. Um dem Nicht-Wissen die Erlaubnis zu geben, da zu sein und sich zu äußern. Und wie in allen Krisen besonders spürbar, sind wir Menschen aufeinander angewiesen. Diese Krise mit ihren ganzen Verlusten und ständigen neuen Herausforderungen braucht kollektives Teilen, Fühlen und Handeln. Alle anderen so wichtigen Themen, die in der Stadtcouncil-Reihe ihren Niederschlag gefunden haben, sind darin eingebunden.
Sylvia Koch-Weser
Initiative Stadtcouncil